Untermain aktuell 1/2003
Gruß aus Rossitten und Mord auf Mallorca
Wenn Ringe reden ...
In Frankfurt war der Zilpzalp am 22.7.2000 beim Beringen durch Untermain noch "diesjährig"; zwei Jahre danach, am 15.4.2002, ging er wieder in ein Netz - in "Rybachy, Zelenogradskiy Distr., Kaliningrad O., Russische Föderation". Wo, bitte?
Gewissheit gaben die Koordinaten und ein Atlas: Der Vogel war in Rossitten hängen geblieben, der alten deutschen Vogelwarte auf der Kurischen Nehrung in Ostpreußen. (Heute beringen dort fleißig die Russen - Günter Löchel hat sich das vor einigen Jahren mal angeschaut und darüber in einem Vortrag eindrucksvoll berichtet.)
Über diese Meldung können wir uns freuen, über die nächste nicht: Auf Mallorca wurde am 3.11.2002 eine am 30.7. ebenfalls von Karl Heinz Lang beringte junge Singdrossel gefunden. Beringungszentrum Madrid: "Fundursache: geschossen." Da kann man... nein, zu dem Thema ist alles längst gesagt, immer und immer wieder.
Acht Gramm flogen 1000 Kilometer
Helgoländer Ringe schmücken "unsere" am Berger Hang und in Niedererlenbach erfassten Vögel beim Weiterflug, und so erreichen uns alle Nachrichten über Wiederfange durch diese Vogelwarte (schauen Sie sich das Beispiel unten an). Mit dem Publikumsinteresse ist es wie bei der Zeitung: Aufmerksamkeit erregen neben Mord und Totschlag vor allem "Sport-Rekorde", auch wenn es darum bei der Beringerei überhaupt nicht geht. Und manches bleibt sowieso immer fraglich. Welche Leistung ist erstaunlicher: 985 Kilometer nach Rossitten, geflogen von nicht mal acht Gramm Zilpzalp (Phylloseopus collybita), oder 1254 km nach Mallorca, geschafft von einer zehnmal so schweren Singdrossel (Turdus philomelos)? Suchen Sie sich's aus, auf falsch gestellte Fragen gibt es keine richtige Antwort.
Richtig bedenkenswert scheint mir dagegen ein anderer Aspekt: Mindestens 1000 Kilometer hat es das Frankfurter Leichtgewicht nach Nordosten verschlagen, und wir wissen nicht, wohin der zwei Jahre alte Vogel eventuell noch geflogen ist, um sein inzwischen gefundenes eigenes Brutgebiet zu erreichen. Viele junge Vögel vagabundieren zunächst einmal umher, um sich dann irgendwo niederzulassen - aber so weit weg, das ist schon was, oder?
Orni-Nostalgie: ein Blick zurück
Dass Zilpzalpe im Herbst nach Südwesten ziehen, das ist bekannt, darauf sind sie "programmiert", doch diese weite Streuung der Jungvögel ist zumindest mir viel weniger selbstverständlich. Und außerdem gibt dieses kleine Laubsängerchen allen "Untermainern" einen Anlaß für einen Blick zurück. Vor etwa hundert Jahren fing die Beringerei in Deutschland an, und nun erreicht uns per Brief aus Helgoland ein Gruß aus Rossitten, also aus den beiden Vogelwarten, die quasi gleichzeitig und lange Zeit gleich bedeutend für eine enorme Erweiterung des ornithologischen Wissens sorgten. Generationen von Profi- und Amateur-Ornithologen sind hier oder dort geschult worden - Fritz Merkel geriet beim Stichwort Rossitten immer ins Schwärmen, und unser Verein war lange Zeit offiziell eine "Zweigstelle der Vogelwarte Helgoland".
Nach Holland und aus Slowenien
Übrigens sind die beiden erwähnten Vögel nicht die einzigen, die nach Uli Eidam und Karl Heinz Lang nochmal in fremden Landen ins Netz gingen - oder umgekehrt. So hat es etwa schon einen Zaunkönig in die Niederlande verschlagen. Und am 6.7.2002 machte ein Sumpfrohrsänger mit dem slowenischen Ring "Ljubljana KL 71766" unfreiwillig bei Untermain Station. Aber die hatten eben weder mit Rekorden noch mit Mord und Totschlag zu tun, und sie erinnern auch nicht an die deutsche Orni-Geschichte.
"Danke" und" Weiter so!"
Danke jedenfalls und ein "weiter so" nach Rybachy/Rossitten und Helgoland, nach Hiddensee und Radolfzell, und natürlich auch zu den spanischen Freunden, die sicherlich unter schwierigeren Bedingungen arbeiten müssen als die anderen, und zu denen in Slowenien und Holland und, und, und ... .
Wulf Röhnert
Kennen Sie schon "Streifen-XBleßganshybriden"?
Immer mehr "exotische" Gänse kommen bei uns "gut über den Winter". Und sie mischen sich. Das gibt Probleme bei der Wasservogelzählung: "Gänsehybride ... ich tippe auf irgendeine Mischung mit Streifengans" schrieb ich am 15.12.2002 an
ringgans@gmx.de, und: "links gelber Ring K 18". Antwort: "... wahrscheinlich ein Streifen-XBleßganshybrid. Wir sahen in Frankfurt wiederholt Streifen-/Bleßgansmischfamilien mit Juv. Aus so einer Familie stammt K 18. Eine phänotypische Bestimmung
(d.h. vom Aussehen her) ist bei diesen Hybriden kaum möglich."
K 18 war am 26.11.99 als "diesjährig" von der AG Neozoen im Palmengarten beringt worden; sein Ring wurde im April 2001 viermal in Frankfurt abgelesen, dann erst wieder im Dezember 2002 von Untermainern an der Alten Brücke.
Wulf Röhnert