Die Zwergohreule ist nun auch in Hessen zu Hause!

In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Berichte von besetzten Revieren und auch einzelnen Bruten der Zwergohreule aus Baden-Württemberg und Bayern. Am 21.7.2003 wurde bei Landau in Rheinland-Pfalz eine erfolgreiche Brut mit 3 Jungen gefunden.

Hermann Glebe berichtete mir, dass im April 2006 die Zwergohreule bei Bad Hersfeld gerufen hat.
Ebenfalls 2006 wurde im Main-Taunus-Kreis ein Revier der Zwergohreule gefunden. Erstmalig wurden die Rufe am 18.5.06 von HGON-Mitgliedern in Kelkheim vernommen. Anwohner berichteten, die Eule sei schon seit Anfang Mai anwesend. Letztmalig wurden die Rufe am 11.6.06 gehört. Das Revier lag im Bereich einer Streuobstwiese, in der auch 2 Brutpaare vom Steinkauz zu Hause sind.

Im Jahr 2007 gab es dann die erste Brut der Zwergohreule in Hessen! Den beigefügten Bericht über die Zwergohreule in den Jahren 2007 und 2008 in der Wetterau hat Herr Gerd Bauschmann von der Vogelschutzwarte in Frankfurt eigens für die Mitarbeiter der AG-Eulen verfasst, wofür ich Ihm nochmals herzlich danke.

Wir sollten uns also mit den monotonen Rufreihen der Zwergohreule vertraut machen und im nächsten Frühjahr in den entsprechenden Lebensräumen die "Lauscher" weit aufmachen und auf den Gesang der Eule achten. Infrage kommen offene Landschaften wie Gartengelände, Parks, Friedhöfe und Streuobstwiesen mit alten Baumbeständen.

Bernd Flehmig


Erster Brutnachweis der Zwergohreule (Otus scops) in Hessen

Am 25. Juli 2007 wurde unter einer Platane in der Ortsdurchfahrt einer Gemeinde in der zentralen Wetterau eine junge Eule gefunden und in der Wildtierpflegestation des Tierheims Wetterau abgegeben. Von einem Mitarbeiter der Staatlichen Vogelschutzwarte wurde sie eindeutig als Zwergohreule determiniert.

Bei einer Kontrolle der Platane durch einen Mitarbeiter der Vogelschutzwarte wurden kleinere Löcher und Kotspritzer gefunden, die aber nicht eindeutig zuzuordnen waren, jedoch keine Gewölle (regelmäßige Straßenreinigung!). Darüber hinaus befanden sich noch ein altes Elsternnest im Baum (weiterer potentieller Brutplatz) sowie ein ausgefaulter, nach oben offener Aststumpf mit einem Busch darin (ungeeignet für Brut). Bei einer weiteren Kontrolle durch ein Mitglied der Hessischen Seltenheitenkommission wurden nackte tote Singvögel und Mäuse unter dem Baum gefunden (Nahrungsreste der Zwergohreule?). Rufe in der Talaue in weiterer Entfernung wurden als Jungenrufe interpretiert.

Eine Befragung von Anwohnern ergab (nach Vorspielen einer Klangattrappe), dass im Frühjahr mehrere Tage lang (1-2 Wochen) der Gesang der Zwergohreule aus der Platane zu hören gewesen sei.

Nachdem die junge Zwergohreule in einer großen Flugvoliere das Schlagen von lebenden Mäusen, Heimchen und sonstigen Insekten sowie Regenwürmern gelernt hatte, wurde sie von einem Mitarbeiter der Vogelschutzwarte beringt (Helgoland 5305408) und am 08. September 2007 im Alter von etwa 10 Wochen in unmittelbarer Nähe des Fundortes wieder frei gelassen.

Der vermutliche Brutbaum steht zwar mitten in der Ortsdurchfahrt, aber doch am Rande der Siedlung. Direkt nach Norden schließen sich Viehweiden an, die als Dauerweide eines benachbarten landwirtschaftlichen Betriebs von April bis Oktober kurzrasig sind und somit den Zwergohreulen die Jagd auf Großinsekten und Kleinsäuger ermöglichen. Auch der im gleichen Gebiet nistende Steinkauz profitiert davon.

Vom Alter des Jungvogels zurückgerechnet muss das Eintreffen der Zwergohreulen im Brutrevier Ende April, Anfang Mai gelegen haben. Der gesamte April sowie die erste Maiwoche, also der vermutete Zeitraum der Ansiedlung, waren absolut niederschlagsfrei. Es herrschten Tagesmitteltemperaturen von nahezu 20°C mit Spitzenwerten von über 25°C. Die Sonnenscheindauer lag an manchen Tagen bei 11 Stunden. Der Wind wehte mit geringer Geschwindigkeit vorwiegend aus östlicher bis südöstlicher Richtung. Das Wetter kann also als durchaus mediterran bezeichnet werden!

Auch im Jahr 2008 war wieder eine Zwergohreule anwesend. Da sie bei einer Kontrolle durch die Vogelschutzwarte am 4. Mai noch nicht zu hören war, jedoch am 8. Mai durch Mitglieder der HGON verhört wurde, muss sie in der Zeit dazwischen angekommen sein. Der Rufbaum war eine Weide in der Aue unterhalb des vermutlichen Brutbaums des Jahres 2007 in 720 m Luftlinie. Rufbeginn war stets um 21.40 Uhr und setzte bei einer Helligkeit unterhalb 0,8 Lux ein.

Seit dem 13. Mai rief die Zwergohreule wieder aus der Platane am Dorfrand. Da die Rufe monoton vorgetragen - die ganze Nacht bis gegen 5.00 Uhr ertönten, vermuteten die Dorfbewohner ein "technisches Gerät" in der Platane. Verstärkt wurde diese Annahme durch die Beobachtung eines unbekannten Mannes, der sich Mitte April auf dem Baum zu schaffen gemacht hatte. Wie sich später herausstellte, handelte es sich bei dieser Person um einen nicht aus der Wetterau stammenden Eulenschützer, der die Brut angezweifelt hatte, sich aber weder mit der Vogelschutzwarte noch den örtlichen Gewährsleuten in Verbindung gesetzt, sondern auf eigene Faust Erkundigungen angestellt hatte.

In der darauf folgenden Woche eskalierte die Situation, begründet in der Angst der Bevölkerung vor einem "Terror-" oder "Spionagegerät". Mehrfach wurden Polizei und Feuerwehr an der Platane zu Einsätzen gerufen, konnten die Töne aber nicht erklären. Am 17. Mai wurde dann von der aufgebrachten Bevölkerung nachts von der Arbeitsbühne eines Traktors aus mit Lampen die Platane abgesucht. Zusätzlich wurde die Szenerie mit Leuchtraketen erhellt. Das "technische Gerät" wurde nicht gefunden, aber auch die Eule ließ sich nicht beeindrucken und rief weiter.

Als die Vogelschutzwarte davon erfuhr, wurde sofort eine Bürgerversammlung einberufen, die am 18. Mai um 21.30 Uhr unter Beteiligung von Ortsvorsteher, Feuerwehrhauptmann und Ortslandwirt unter der Platane stattfand. Die Anwohner konnten beruhigt werden, und nachdem sie über die Bedeutung der Zwergohreulenbrut (erste und einzige Brut in Hessen, eine von sechs in Deutschland überhaupt) informiert worden waren, gingen sie beruhigt und mit einem gewissen Stolz über "ihre Eule" nach Hause. (Am 24. Mai erschien ein Kurzbericht über diese Versammlung in der Lokalzeitung.)

Von verschiedenen Personen aus Reihen von HGON, NABU und Vogelschutzwarte wurde die Zwergohreule noch über mehrere Wochen verhört, nicht nur aus der Platane, sondern von verschiedenen Bäumen der Umgebung bis zu einer Entfernung von 100 m. Danach wurde der Radius immer größer, die Zwergohreule wurde kurz noch in der Aue registriert, bis sich die Spur nach 5 bis 6 Wochen verliert. Das gesamte Verhalten lässt darauf schließen, dass die Zwergohreule 2008 nicht verpaart war.

Die Erfahrungen der Jahre 2007 und 2008 zeigen, dass es sich lohnt, in den warmen Niederungsgebieten Hessens und deren Randlagen auf die Zwergohreule zu achten. MEBS & SCHERZlNGER (2000) geben als Lebensraum an: "Die Zwergohreule lebt in warmen und trockenen, ziemlich offenen Landschaften mit alten Bäumen, z. B. Obstgärten, Parkanlagen, Alleen, Feldgehölzen und Randzonen lichter Laubwälder, in denen es ein reiches Nahrungsangebot in Form von Heuschrecken, Käfern und anderen Großinsekten gibt.
Wegen der besseren Erreichbarkeit der Beutetiere ist niedrige Bodenvegetation, z. B. infolge von Beweidung durch Vieh, eine sehr wichtige Voraussetzung, genauso wie beim Steinkauz. Außerdem müssen geeignete Höhlungen in Bäumen oder Mauern, andernfalls auch Kunsthöhlen, d. h. Nistkästen mit entsprechend großer Einflugöffnung (8cm Durchmesser) vorhanden sein, um Bruten zu ermöglichen.
In den Schwerpunktvorkommen der Mittelmeerländer brüten die Zwergohreulen nicht nur im extensiv bewirtschafteten Kulturland, sondern auch in Dörfern und Städten, also in unmittelbarer Nachbarschaft von Menschen."

Durch seinen auffälligen Gesang, der nach Messungen aus 2008 bis zu 800 m weit zu hören ist, dürfte die Zwergohreule in der ersten Maihälfte ab Sonnenaufgang gut zu erfassen sein.

Gerd Bauschmann, Staatliche Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland

Rufende Zwergohreule (aufgenommen von Stefan Wehr im Mai 2006 im Main-Taunus-Kreis)