Untermain aktuell 2/2004


Glücksgefühl aus der Baumkrone: Pirole am Erlenbach
Von Karl-Heinz Graß


Mal ehrlich: Das Herz schlägt schon höher, wenn der Pirol ruft. Wer sucht dann nicht gleich alle Baumkronen nach dem wunderschönen gelben Vogel ab - oft genug ohne Erfolg! - und freut sich, wenn er den rasanten Flieger tatsächlich erblickt. wenn man dann sogar das kunstvolle Nest entdeckt, stellt sich ein geradezu berauschendes Glücksgefühl ein. Mich ereilte dieses besondere Glück Anfang Juni am Erlenbach im Frankfurter Stadtteil Nieder-Erlenbach. Von Karl-Heinz Lang, der dort für "Untermain" beringt, wußte ich, dass sich da immer Pirole aufhalten, und mit seinem konkreten Tip habe ich mich auf die Suche begeben.

Laute Rufe und ein kräftiges Gelb

Am 7. 6. 2004 hatte ich schließlich Erfolg: Erst hörte ich ein intensives Rufen, und nach einigem Umherschauen leuchtete mir ein kräftiges Gelb aus einer Baumkrone am Ufer des Baches entgegen. Durchs Spektiv gelangen ein paar hübsche Fotos. Schließlich flog der Pirol davon, kehrte aber bald wieder zurück. Ich beobachtete ein beständiges An- und Abfliegen, und auch das Weibchen gesellte sich hinzu. Doch so sehr ich auch suchte: ein Nest konnte ich hier zunächst nicht ausmachen. Dann aber nahm ich mir die Kronen der benachbarten Bäume vor und entdeckte es schließlich in einer Zitterpappel in etwa 12 bis 15 m Höhe. Der Baum steht in einem Busch zwischen zwei häufig frequentierten Spazierwegen, und das Nest war gar nicht so gut versteckt, wie ich erwartet hatte. Das darin sitzende Pirol-Weibchen war jedenfalls gut zu sehen. In den nächsten Tagen war ich, so oft es ging, wieder am Erlenbach, und ich kam zu weiteren schönen Bildern.

7785705 - ein Ring von Untermain!

Beim Betrachten durchs Spektiv fiel mir auf, dass das Pirol-Weibchen am rechten Fuß einen Ring trug. Von Karl-Heinz Lang wusste ich, dass er sowohl im letzten Jahr als auch in diesem je einen weiblichen Pirol beringt hatte (am 16. Mai 2003 mit Ring Nr. 7785705, am 6. Juni 2004 mit Ring 7785748). Beim Füttern am Nest gelangen schließlich trotz der erheblichen Entfernung ein paar Aufnahmen des Rings, und nach Uli Eidams Bearbeitung der Bilder am PC ließ sich der Vogel identifizieren. Auf drei Fotos waren Ziffern deutlich zu erkennen: einmal "8", dann "5-0", und schließlich "570". Es war also der Vogel, der letztes Jahr (vermutlich beim Sammeln von Nistmaterial) gegen 11 Uhr morgens ins Untermain-Netz geraten war.

Am 20. Juni 2004 war ich im dichtem Nebel schon gegen sechs Uhr morgens am Erlenbach. Die Pirole fütterten fleißig. Etwa im Fünf-Minuten-Rhythmus flogen die beiden Altvögel zum Nest und versorgten ihre Jungen. Zwischendurch rief immer wieder das Männchen. Allerdings konnte ich nicht erkennen, wie viele Jungvögel sich im Nest befanden.

Leider war dies die letzte Beobachtung. Am 23. Juni mußte ich nämlich feststellen, dass das Nest nahezu vollständig zerstört und offensichtlich leer war. Zwar waren noch Pirolrufe zu hören, aber entdecken konnte ich den gelben Vogel nicht mehr.

Opfer des Sturms vom 21. Juni

Karl-Heinz Lang erzählte mir später, das Nest sei am 21. Juni von dem starken Sturm, der über ganz Deutschland tobte, heftig geschüttelt und dabei komplett umgedreht worden. Dabei wurden alle Jungen herauskatapultiert. Eines fand er tot im Busch unterhalb des Nestes. Die Jungen seien auch noch zu klein gewesen, als dass sie hätten herunterflattern und sich so retten können. Von den Altvögeln wären sie dann weiter versorgt worden. Leider war es zu diesem Zeitpunkt schon zu spät für eine Ersatzbrut. So bleibt zu hoffen, dass die Pirole nächstes Jahr an den Erlenbach zurückkehren und ihr Nest dann an einem besser geeigneten Platz bauen.

Nach diesem traurigen Ausgang möchte ich doch mit einem freundlich stimmenden und zudem äußerst ungewöhnlichen Pirol-Erlebnis abschließen, von dem Frau Hanne Tinkl aus Bad Vilbel beim Beringen Anfang Juli berichtete:

Eine Blüte für die Dame

Am 11. Mai dieses Jahres beobachtete sie in den Streuobstwiesen ein Pirol-Paar, das aus dem Vilbeler Wald geflogen kam und sich auf einem Obstbaum niederließ. Das Männchen flog davon zu einem blühenden Apfelbaum, pflückte dort eine Blüte, kehrte zurück zu seinem Weibchen und präsentierte ihr die Blüte. Schließlich seien beide Vögel wieder in den Baumkronen des Waldes verschwunden.



Mitgliederbrief "Untermain aktuell", Nr. 2/04, August 2004. Verantwortlich für diese Ausgabe: Wulf Röhnert