Untermain aktuell 2/2005


Wiedehopf! Wo? Da! Toll!


14. Mai 2005, Beringung am Berger Hang. Das Wetter ist durchwachsen, d.h. trüb, Schauer, Regengüsse, wenigstens kein Wind. Bis auf den Regen eigentlich optimales Fangwetter (- das zeigte sich dann an 58 beringten Vögeln). Leider trat der Kuckuck etwa einen halben Meter vor dem Hochnetz voll auf die Bremse und flog so noch über statt in die Maschen. Die glitzernden Regentropfen hatten sie ihm rechtzeitig verraten.

Karl-Heinz Graß war etwas ,angefressen', weil das Licht zum Fotografieren nicht ideal war, weil Kuckucke und Pirole nicht gefangen werden wollten, aber er gab nicht auf. Fleißig suchte er weiter mit dem Spektiv nach Motiven. Und dann rief er: "Ich glaub', da sitzt ein Wiedehopf!"

Hektisch greifen wir alle zu den Ferngläsern: "Wo?" Antwort: "Da auf dem Baum ..." Wer einmal von unserer "Station" ins Enkheimer Ried hinuntergeschaut hat, weiß, dass da überall Bäume herumstehen! Also: "Wo? Welcher Baum?" O-Ton Graß: "Dort, wo ich den Pirol fotografiert habe." Den Baum kannte ich noch von dieser Aktion vor zwei oder drei Jahren. Und so konnte ich ihn gerade noch anvisieren und sah auch den abfliegenden Wiedehopf! Der verabschiedete sich umgehend hinter einer Baumreihe in Richtung Bergen. Es war meines Wissens der erste Wiedehopf, der seit 1966 am Berger Hang gesehen wurde. Toll!

Ulrich Eidam

... und noch mehr Hopfe: Haste geseh'n? - Haste geseh'n?

Aufgeregt lief Willi Erb bei der Untermain-Exkursion "bei Groß-Gerau" am 22. Mai auf uns zu: "Haste geseh'n ? Haste geseh'n? Wiedehopf!" Nun, deswegen waren wir gekommen. Und ein Dutzend Untermainer beobachtete insgesamt vier rufende Männchen.

Stefan Wehr



Beringt wird nicht nur bei "Untermain": Den folgenden Bericht fanden wir auf der Seite "Jugend schreibt" in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 19. April 2005. Die Autorin, 17 Jahre alt, ist Schülerin der Ursulaschule im niedersächsischen Osnabrück.

Froh übers Wintergoldhähnchen
Ornithologen arbeiten als Beringer, Vermesser und Vogelfreilasser
Von Kerstin Schott, Osnabrück


Nebelschwaden ziehen über die Straße. Es ist 5.15 Uhr. Am Himmel ist der Orion mit seinen hellen Sternen zu erkennen. Nur die Rufe von zwei Eulen durchbrechen die Stille. Männer steigen am Straßenrand aus ihren Autos. Sie tragen Leuchten am Kopf und wirken wie Bergwerkskumpel. Beim näheren Hinsehen zeigen ihre Utensilien jedoch: es sind Ornithologen.

Gemeinsam mit ihren Helfern tragen sie einen Koffer mit Netzen und Metallstangen. Axel Degen, selbständiger Diplombiologe, und Bernhard Hülsmann, Angestellter beim Wasser- und Schiffahrtsamt Minden, sind ehrenamtliche Beringer. Sie beteiligen sich an einem Beringungsprojekt der drei Vogelwarten Helgoland, Hiddensee und Radolfzell: Ziel ist, die Entwicklung der teils rückläufigen Singvogelbestände und deren Bruterfolge über mehrere Jahre zu verfolgen. Beteiligt sind Beringergruppen im ganzen Bundesgebiet, in Niedersachsen gibt es fünf. Eine dieser Gruppen arbeitet hier an den Langelager Teichen in Bohmte bei Osnabrück, die eine Fläche von 3,5 Hektar einnehmen. Das gesamte Projekt läuft unter dem Namen "Integriertes Monitoring von Singvogelpopulationen" oder kurz IMS.

177 Meter Netz

Nach fünfzig Minuten sind vier verschiedene Fangnetzreihen aufgebaut, insgesamt 177 Meter Netz, jeweils 3,50 Meter hoch. Für Bernhard Hülsmann kein Problem, da er dank seiner kräftigen und großen Statur viele Metallstangen auf einmal tragen kann. Die Aufbauten müssen bis eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang stehen, da die Vögel dann aktiv werden. Dann wird noch an der Straße zum Gut Langelage, die für den öffentlichen Autoverkehr gesperrt ist, eine kleine Beringungsstation mit Waage, Meßgeräten fiür Flügel- und Federlängen, Beringungszange und Vogelringen aufgebaut.

Zuerst ein Gartenrotschwanz

Nun geht es los: Schon in den ersten Netzen ist ein Neuzugang zu verzeichnen. "Ein Gartenrotschwanz!" tönt euphorisch eine Stimme aus dem Gebüsch. Axel Degen, der sympathische und sportliche Biologe, befreit den nur handgroßen Vogel aus dem Netz und ist begeistert über diesen neuen Fang. Heute geht es schon mal gut los! Wenn sie einen Vogel gefangen haben, wird dieser vorsichtig in einen Beutel gepackt und zur kleinen Station gebracht. Dort wird er sofort beringt, vermessen, gewogen und wieder freigelassen. Jede halbe Stunde gehen die Beringer die Netze ab. Heute sind jedoch auch einige Nullrunden dabei. Hin und wieder kommen Diskussionen über das Alter der Vögel auf: "Nein, das ist doch schon ein Vogel aus diesem Jahr. Schaut doch mal auf die Mausergrenze hier an den Flügelfedern!"

Macht ihm diese zeitaufwendige und anstrengende Arbeit Spaß? Bernhard Hülsmann sagt in seiner ruhigen, aber direkten Art: "Natürlich, es ist nicht umsonst unser Hobby." - "Und es ist spannend!" fügt Vogelschützer Degen hinzu. Die beiden haben wirklich Freude an ihrer ehrenamtlichen Arbeit. Auch bei schlechtem Wetter lassen sie sich nicht die gute Laune nehmen und sind nicht enttäuscht, wenn sie von einigen ihrer KontroIlgänge, die jede halbe Stunde stattfinden, ohne Fänge zurückkehren.

Die Langelager Teiche wurden ausgewählt, da hier ein Mix aus Gebüschen und Schilf mit viel Unterwuchs zu finden ist, also viele verschiedene Lebensräume. Bei diesen Bedingungen können die von den deutschen Vogelwarten und der "AG Monitoring" des Dachverbandes Deutscher Avifaunisten vorgeschriebenen Richtlinien von 100 gefangenen Altvögeln je Fangsaison leicht erfüllt werden.

5,6 Gramm flogen 899 Kilometer

Besonders erfreut sind die Ornithologen, wenn Vögel, die mit Ringen von anderen Beringungszentralen beringt wurden, gefangen werden. "Dieses Jahr haben wir eine Mönchsgrasmücke aus Belgien und ein Wintergoldhähnchen aus Schweden gefangen", sagt Degen. Der Sechsunddreißigjährige konnte dies am Zahlen- und Buchstabencode der Ringbeschriftung erkennen. Nach dem Wiederfang des Wintergoldhähnchens am 10. Oktober 2004 wurde die Vogelwarte Stockholm, deren Ring der Vogel trug, benachrichtigt. Folgende Informationen kamen zurück: Das Tier wurde am 12. September bei Nyköping beringt, flog 899 Kilometer in 28 Tagen nach Langelage, bei einem Gewicht von nur 5,6 Gramm.

"Diese Asozialen!"

Inmer wieder gucken die Beringer auf die Uhr, schnappen sich einige Säcke und gehen die Netze ab. Das Fangprogramm muß mindestens fünf Jahre lang ohne Unterbrechung laufen. Mittlerweile ist es hell geworden, einige Brote werden vertilgt. Nach sechs Stunden geht der sonntägliche Fangtag dem Ende zu. Ausflügler radeln vorbei und staunen über die vier Leute in dreckigen Gummistiefeln und alten Jacken auf ihren Gartenklappstühlen am Straßenrand. Nachdem wieder ein älteres Ehepaar vorbeigefahren war, stolpert Axel Degen lachend aus dem Waldstück, in dem er Netze abgesucht hat: "Habt ihr das gehört? Wißt ihr, was die gerade über uns gesagt haben? Diese Asozialen!"

@ "Frankfurter Allgemeine Zeitung"

Da sind unsere Beringer ja bisher noch ganz gut weggekommen: Es hat eben Vorteile, auf dem eigenen Gelände zu arbeiten. - Zum Trost einen schönen Gruß an die Kollegen im Niedersachsen!

Mitgliederbrief "Untermain aktuell", Nr. 2/05, Juni 2005. Verantwortlich für diese Ausgabe: Wulf Röhnert