Vogelbeobachter am Untermain
Aus der Sicht ziehender Zugvögel ist der Berger Hang sicher immer eine lästige Bodenwelle auf dem Weg nach Norden gewesen.
Machte es sich aber ein schwedisches Blaukehlchen zu leicht, und wollte es die Höhe nur gerade eben so überwinden, dann
landete es in früheren Zeiten urplötzlich in feinen Maschen, wurde ergriffen, gemessen, gewogen, beringt - und ist bis
heute statistisch erfaßt. Mehr passierte ihm natürlich nicht: Schließlich war es der "Vogelkundlichen Beobachtungsstation
Untermain" ins Netz gegangen. Und das Gelände ist seit Ende der zwanziger Jahre urkundlich zur Vogelfreistätte bestimmt.
Lange wurde am Hang nicht mehr allgemein beringt: Was über den Vogelzug so zu erfahren war, ist weitgehend bekannt.
Außerdem war es den Staren nicht recht, die neben vielen anderen Vögeln den Platz bewohnen und in Prof. Merkels
Starenkästen hausen. Sie wurden auch so schon oft genug kontrolliert - als Elternvogel, als Nestling und sogar bereits
als Ei. "Untermain", gegründet 1924 und somit Kind einer früheren Welle "grüner" Naturbegeisterung, hat sich aktuellen
Aufgaben zugewandt: Die Wissenschaft hat dabei wie eh und je ihren Anteil, aber auch der aktive Naturschutz, die
Weiterbildung und Förderung des Interesses an biologischen und ökologischen Fragen in der Bevölkerung.
Und seit 1995 - was gut ist, kehrt wieder - wird auch wieder beringt: Wir nahmen am "Heckenprogramm" der Vogelwarte
Helgoland (Wie wichtig ist der Lebensraum Hecke?) teil und sind auch bei dem anschließenden Monitoring-Progamm dabei.
Untermain bleibt am Netz!
Noch ein Wort zu den Staren, die sich Besuchern des Sebastian-Pfeifer-Hauses lautstark vorstellen:
Untermain-Ehrenvorsitzender Friedrich Merkel (+), emeritierter Zoologe der Uni Frankfurt (ihm und seinen Schülern
verdankt die Fachwelt, was sie über die Orientierung der Vögel weiß), stellte hier seine Fragen an Sturnus vulgaris.
Die Kolonie am Berger Hang antwortete mit einer Flut von Daten. Und auch eine Französin ging schon bei uns auf Stimmenfang:
Sie verglich Vogeldialekte - da durfte Starenhessisch nicht fehlen!
Vögel brauchen Ruhe, und so kann am Hang nicht immer Mitgliederversammlung sein. Fast gab es einmal nicht deswegen -
eine Vorstandssitzung nördlich des Polarkreises: Die reiselustigen Vereinsangehörigen steuern Ziele in aller Welt an
und berichten darüber in Film- und Diavorträgen in der Berger Stadthalle. Dazu kommen Vorträge mit ornithologischen
und naturkundlichen Themen. Nebenan bezog Untermain 2001 in der alten Schelmenburg eine Geschäftsstelle und hat seitdem
wieder eine "richtige" Adresse.
In der Stadthalle ist auch die umfangreiche Vereinsbibliothek sicher untergebracht - leider aber nicht so leicht
zugänglich. Den Großteil des Bestands bilden wissenschaftliche Zeitschriften - sie kommen im Austausch für unsere
Zeitschrift Luscinia, die Untermain seit Jahrzehnten herausgibt. Der Name bezeichnet die Nachtigallen-Gattung, zu
der das Blaukehlchen gehört. Der deutsche Vetter des eingangs erwähnten "Schweden" dient Untermain als Wappentier.
Es hat sich aber schon lange nicht mehr für das Brutgebiet im nahen Enkheimer Ried interessiert; das letzte Nest
fand Gerhard Lambert 1950. Heute bereiten andere gefiederte Nachbarn Sorge: Seit 1994 brütete kein Baumpieper an
unserem Teil des Hangs - bis dahin ein gut vertretener Zugvogel. Die Gründe für das Ausbleiben lassen sich nicht
exakt nennen, dürften aber auch in der Störung durch gedanken- und rücksichtslose "Naturliebhaber" mit Hunden liegen.
"An Ostern, 1. Mai, Himmelfahrt und Pfingsten sollte es regnen", so hört man bei Untermain, "das ist das beste für das Ried".
Unerwünscht ist Regen dagegen bei Exkursionen und Wanderungen, die das Untermain-Jahresprogramm anbietet. Ziele sind
bekannte Naturschutzgebiete von Bingen-Gaulsheim bis Waghäusel in Baden oder Reviere seltener Vogelarten wie Zippammer
und Nachtschwalbe. Willkommen ist dabei jede und jeder, die bzw. der ein Fernglas halten kann. Und willkommen sind alle,
die mit Schaufel, Hacke oder Säge umgehen können, wenn für die Streuobstwiesen am Hang Pflegemaßnahmen angesagt sind.
Eine wuchernde Hecke wird nun mal nicht vom guten Willen gestutzt. Nirgends wird dem Naturfreund so klar wie dabei,
dass eine Streuobstwiese eine Kulturlandschaft ist, die sich nicht von selbst erhält.
Arbeit genug verheißt auch die Zukunftsplanung der Vogelkundlichen Beobachtungsstation Untermain e.V.:
Das
Sebastian-Pfeifer-Haus, benannt nach einem berühmten Vogelschützer und Mitgründer des Vereins,
ist Informationszentrum geworden. Bei der Lage im Naturschutzgebiet (NSG) Berger Hang und oberhalb des NSG
Enkheimer Ried bietet sich diese Verwendung an. Dazu haben unsere Mitglieder unglaublich viel geleistet in
und an dem kleinen Haus, das eine frühere Generation tatkräftiger Untermainer 1954 errichtete. Lange war nur
eine eingeschränkte Nutzung möglich, etwa wenn Ulrich Eidam Lehrerfortbildungskurse leitete. Heute sind Haus
und Schuppen saniert, repariert, renoviert; es gibt regelmäßig Veranstaltungen "auf der Station".
Über die Kostbarkeiten rund um das Gelände des Vereins, Orchideen etwa oder seltene Vogelarten, soll an dieser Stelle
nicht berichtet werden: nach aller Erfahrung schadet den Pflanzen, Tieren und Lebensgemeinschaften die offene Publizität.
Vor und nach den Veranstaltungen aber wird im persönlichen Gespräch bei Untermain gern Auskunft gegeben.
Oder Sie informieren sich an Frühjahrs- oder Sommerwochenenden im Sebastian-Pfeifer-Haus. Zugänglich ist
es nur von der Landstraße zwischen Bergen und Bischofsheim - etwa 250 m östlich des Schützenhauses "Diana".
Und sollte zufällig weder Stationschef Manfred Sattler noch sonst jemand von uns anwesend sein:
Nehmen Sie bitte Platz und genießen Sie eine Weile den herrlichen Ausblick vom Hang über das Ried auf
Frankfurt und Offenbach.
Wulf Röhnert
Und noch einige Fotos auf der Website von Karl-Heinz Graß vom
Berger Hang